CDU Ratsfraktion Gelsenkirchen

Social-Media-Post der AfD-Gelsenkirchen vom 29.01.2020

Der Rat der Stadt Gelsenkirchen hat einstimmig in namentlicher Abstimmung folgende von CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachte Resolution beschlossen:
„Der Rat der Stadt Gelsenkirchen verurteilt aufs Schärfste die im Social-Media-Post der AfD-Gelsenkirchen vom 29.01.2020 konstruierten und abwegigen Inhalte und politischen Positionen. Die Mitglieder des Rates erwarten von den AfD-Ratsmitgliedern und fordern sie zugleich auf, sich öffentlich, jeweils persönlich und inhaltlich von dem o.g. Post zu distanzieren und sich in der Ratssitzung zu entschuldigen.“

Hierzu die Rede des Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Heinberg
Anrede,
ich habe meine heutige Rede in vier Abschnitte eingeteilt. Ich starte mit einem Prolog, werde mich dann mit dem Thema Vergleiche beschäftigen, werde dann eine ultimativ-historische Einordnung der Personen Dr. Angela Merkel einerseits und des größten und monströsesten Verbrechers der deutschen Geschichte andererseits vornehmen und zum Abschluss zu einer, ich nenne es hier „zornigen Passage“ in meiner Rede kommen.


Anrede,
die jüngsten Ereignisse in Thüringen veranlassen mich zu der Feststellung: Es darf weder zufällig, noch fahrlässig und schon gar nicht geplant zu Situationen in welchem deutschen Parlament auch immer kommen, die dazu führen, dass Extremisten oder Parteien mit historisch-extremistischem Hintergrund eine Rolle als Ergebnisentscheider zukommen lassen. Die Haltung „Klare Kante gegen politische Extremisten, Faschisten, Antisemiten und politische wie religiöse Hassprediger“ ist fester Bestandteil der Marken-DNA der CDU und dieser Bestandteil ist nicht verhandelbar! Ich bin in großer Sorge, dass schleichend Höcke-Positionen auch außerhalb von Thüringen mittlerweile salon- und gesellschaftsfähig geworden sind – eine weitere Verbreitung dieser demokratie- und verfassungsfeindlichen Positionen  muss entschieden bekämpft werden – der aktuelle Tagesordnungspunkt in der Sitzung unseres Rates heute leistet dazu einen wichtigen Beitrag!


Anrede,
Comparaison n’est pas raison, lautet ein französisches Sprichwort, heißt sinngemäß übersetzt: Vergleiche hinken. Manchmal gilt aber auch: Gut, dass wir verglichen haben! Zugegeben, man kann natürlich auch Äpfel mit Äpfeln vergleichen wollen, Männer mit Männern, oder Frauen nur mit Frauen, kleine Stangen nur mit kleinen Stangen oder AfD-Politiker mit ihren historisch-politischen Vorbildern. Aber wäre man damit schon auf der sicheren Seite? Wäre man nicht. Denn es würde dann ja bestimmt einer kommen und sagen: „Man kann doch nicht Boskop-Äpfel mit Jonagold-Äpfeln vergleichen.“

Kann man aber Äpfel mit Birnen vergleichen, oder Hunde mit Katzen oder Demokraten mit Faschisten?- Das Bild der Äpfel und Birnen soll uns daran erinnern, dass man bei Vergleichen immer aufpassen sollte, ob das, was man vergleicht, auch wirklich vergleichbar ist. So kann man zwei Äpfel miteinander vergleichen, weil es sich um dieselbe Sache handelt. Ein Apfel und eine Birne sind allerdings zwei verschiedene Dinge und damit nur schwer vergleichbar. Wer einen seriösen Vergleich anstellen will, der sollte seine Vergleichskriterien benennen oder so wählen, dass diese augenfällig und nachvollziehbar sind.


Anrede,
im Social-Media-Post der AfD Gelsenkirchen werden zwei Personen verglichen – bevor ich zu einer politisch-inhaltlichen Bewertung des Posts und meinem als zornig angekündigtem Redeteil komme, möchte ich, in der Hoffnung, dass das eine oder andere Ratsmitglied vielleicht ans Nachdenken kommt, Fakten zu Dr. Angela Merkel und dem sogenannten Führer Adolf Hitler gegenüber stellen – Fakten die Sie, die wir alle schnell recherchieren können, objektive Fakten – keine Fake news, romantische Überhöhungen oder falsche historische Einordnungen.

Beginnen wir mit der Person Adolf Hitler.
Die Bilanz der Kanzlerschaft Adolf Hitlers ist erschütternd: Über 60 Millionen Menschen starben, mehr als sechs Millionen europäische Juden wurden ermordet. Tausende Sinti und Roma, Menschen mit Behinderung, politisch Andersdenkende und Homosexuelle wurden verfolgt und getötet. 17 Millionen Menschen waren verschollen. Weite Teile Europas waren zerstört.

Dieser Krieg schuf neue Gesellschaften, er war Voraussetzung für einen anderen, den Kalten Krieg. Der Holocaust, die systematische Vernichtung ganzer Bevölkerungsgruppen, konnte nur unter den Bedingungen dieses Krieges vollstreckt werden.

Mehr als die Hälfte der rund 5,7 Millionen Soldaten der Roten Armee, die im Zweiten Weltkrieg in deutsche Kriegsgefangenschaft gerieten, überlebten die desaströsen Bedingungen ihrer Gefangenschaft nicht.

Nach Zwangsarbeit, Hunger und Krankheit kehrten nur knapp zwei Millionen der 3,2 Millionen deutschen Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion nach Deutschland zurück, die letzten im Januar 1956. Nach Angaben des Deutschen Roten Kreuzes ist das Schicksal von 1,3 Millionen deutschen Militärangehörigen bis heute ungeklärt.

Ich zitiere Richard von Weizsäcker: „Das Ende des Krieges war nicht die Ursache für Flucht, Vertreibung und Unfreiheit. Die Ursache liegt vielmehr in seinem Anfang und im Beginn jener Gewaltherrschaft, die zum Krieg führte. Der 8. Mai 1945 darf nicht vom 30. Januar 1933 - dem Tag der Machtübergabe an Hitler - getrennt werden. 

Ich wende mich nun der Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland, Dr. Angela Merkel zu und beschränke mich auf ein Thema und einen Zeitraum, das offensichtlich die AfD-Gelsenkirchen bewegt – ich spreche von der sogenannten Flüchtlingskrise 2015, die sicher zu einer der größten Herausforderungen der Kanzlerschaft von Angela Merkel zählt.

Die 2015 vollkommen unerwartet einsetzende Flüchtlingswelle nach Europa, wird zur größten Herausforderung der dritten Amtsperiode von Angela Merkel - vielleicht auch ihrer gesamten Amtszeit als Bundeskanzlerin. Die Welt erlebt die vielleicht größten Flüchtlingsbewegungen seit dem Zweiten Weltkrieg, die insbesondere in den Bürgerkriegsländern Syrien, Irak und Afghanistan ihren Ausgang nehmen und zum beherrschenden politischen Thema werden.

Schon im Jahr zuvor hatten zunehmende Ängste von Teilen der Bevölkerung vor der Zukunft für Kritik an der Zuwanderungspolitik der Bundesregierung gesorgt und neuen populistischen Bewegungen Auftrieb verschafft. Pegida („Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“) und die AfD („Alternative für Deutschland“) nahmen diese Stimmungen auf und instrumentalisieren sie bis heute für sich.

Zum Wendepunkt in der Asylpolitik wird die humanitäre Entscheidung der Bundesregierung, Anfang September 2015 Flüchtlingen, die in Budapest und an der Grenze Ungarns zu Österreich festsitzen, die Einreise nach Deutschland zu gestatten, ohne die durch das Dublin-Abkommen obligatorische Registrierung in Ungarn zu verlangen. Die Haltung von Angela Merkel und der von ihr geführten Bundesregierung trägt unserem Land und ihr zur Person großen Respekt im In- und Ausland ein.

Angela Merkel hat bei den Lösungsansätzen, die sie in der Folge der Flüchtlingswelle anstrebt, die europaweiten Dimensionen des Problems im Blick: Den Schutz der europäischen Außengrenzen und die deutlichere Bekämpfung der Fluchtursachen in den Konfliktländern, eine Beschleunigung der Asylverfahren und eine konsequentere Integrationspolitik, vereint mit einer Absage an Parallelgesellschaften.


Anrede,
in ihrem Social Media Post vom Ende Januar 2020 nimmt die AfD Gelsenkirchen, lokale Gliederung einer Partei, die in ihren Reihen Faschisten, Rassisten, Antisemiten und Anti-Demokraten als Mitglieder führt und mit Macht und Mandaten ausstattet, Bezug auf eine Rede des Israelischen Präsidenten anlässlich des Holocaust-Gedenktages im deutschen Bundestag zum Anlass eine politische Position der Welt mitzuteilen.

Der Post lautete: „Israels Präsident lobt Merkel als „Führerin der freien Welt“. Die geschichtlichen Parallelen sind unübersehbar. Wie auch 1945 bringt diese „Führerin“ Deutschland den Untergang. Statt der totalen militärischen Niederlage gibt es diesmal den kulturellen und gesellschaftlichen Untergang. Im Unterschied zu 1945 ist kein Wiederaufbau möglich.“

Herr Jansen, Herr Dillhard und Herr Preuß: Ich erwarte, dass Sie mich ansehen, wenn ich mit Ihnen rede. Ich frage mich, welchen Anteil Sie jeweils persönlich am Zustandekommen dieses Posts hatten?

Gehört ein solcher Vergleich zum täglichen Geschäft ihrer politischen Arbeit, so zumindest deutet es der Abgeordnete Schneider als inhaltliche Erklärung und Begründung für den Post an.

Haben Sie sich vielleicht sogar für den Inhalt des Posts geschämt oder haben Sie ihn mitformuliert?

Subsumieren Sie jeweils ganz persönlich das Leiden und Sterben von weit mehr als sechzig Millionen Menschen in der Zeit der Kanzlerschaft und begründet in der Kanzlerschaft von Adolf Hitler nur als eine Nebenerscheinung einer militärischen Niederlage?

Wie können Sie es wagen zu behaupten und bis heute unwidersprochen lassen, dass die systematische Ermordung von Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma, Homosexuellen und politisch Andersdenkenden anders bewertet werden muss als Akte der Humanität, als Politik die nicht gewissenlos ist, sondern auf Werten, mindestens dem Wert „Jedes Leben ist wertvoll und schützenswert“, basiert?

Der Post der AfD Gelsenkirchen, deren Mitglieder Sie wohl sind, steht in schlimmster Nähe zu Zitaten ihrer Parteiführer, mindestens nah bei den Thesen eines Björn Höcke, der einer der radikalsten Politiker des Landes ist. Dieser Mann ist Anführer des sogenannten Flügels, der rechtsnationalen und bisweilen rechtsextremen Strömung innerhalb der AfD, die vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall geführt wird. Herr Höcke ist ein Mann, der laut einem Urteil des Verwaltungsgericht Meiningen als Faschist bezeichnet werden darf, weil dieses „Werturteil nicht aus der Luft gegriffen ist, sondern auf einer überprüfbaren Tatsachengrundlage beruht“ – so das Gericht in seiner Begründung. 


Anrede,
Menschenleben zu retten ist und kann kein Verbrechen sein. Menschenleben zu retten ist eine unvergleichlich humane Werthaltung. Menschenleben zu retten heißt Zukunft zu schenken und Zukunft zu ermöglichen.

Menschenleben gezielt, gewollt und systematisch zu vernichten dafür steht der Name Adolf Hitler, dafür steht die Ideologie des Nationalsozialismus, dafür stehen Antisemitismus, Hass und eine zu verachtende Gleichgültigkeit und Geringschätzung gegen über menschlichen Schicksalen.

Herr Jansen, Herr Dillhard und Herr Preuß: Das Ergebnis der Hitler-Diktatur waren nicht nur kaputte Straßen, Häuser und Fabriken, die man einfach wieder aufbauen konnte. Das Ergebnis der Hitler-Diktatur war millionenfacher Tod, millionenfaches Leid, millionenfache Vorbehalte von Opfern der Diktatur, des Krieges und der Weltgemeinschaft, die erst durch Politikerinnen und Politiker wie Dr. Angela Merkel, Konrad Adenauer oder auch Willy Brandt in den Augen und Herzen der Opfer und der Weltgemeinschaft ein gutes Stück weit positiv gewendet wurden.

Die Politik der Bundesregierung in 2015, die Politik der Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Leben gerettet, humanitäre Hilfe geleistet und für Millionen Menschen Zukunft ermöglicht – zum Teil gegen Widerstände, die auch heute noch spürbar sind.

Der Social-Media-Post der AfD Gelsenkirchen ist inhaltlich verwerflich und abscheulich. Der Social-Media-Post der AfD Gelsenkirchen ist, was den Vergleich von Frau Dr. Angela Merkel mit dem größten Tyrannen in der deutschen Geschichte angeht, ekelhaft und sucht seines gleichen.

Ich erwarte – nein, wir erwarten, dass Sie, Herr Jansen, Herr Dillhard und Herr Preuß, sich hier und heute von den Inhalten des Posts glaubwürdig, jeweils persönlich und inhaltlich distanzieren – nicht mehr, aber auch nicht weniger!