CDU Ratsfraktion Gelsenkirchen

Rede von Alfred Brosch zur Resolution zur angekündigten Schließung der Wellpappe Gelsenkirchen GmbH & Co. KG

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren, werte Gäste – verbunden mit einem besonderen Gruß an die Beschäftigten von Wellpappe! Mehr an sozialer Unternehmenskälte geht nicht ! Zumindest übersteigt der aktuelle Fall unsere Vorstellungskraft. Und die große Schnittmenge dieser gemeinsamen Empfindungen in Solidarität zu den Beschäftigten über das unfassbare Verhalten der Verantwortlichen von Wellpappe wird sichtbarer Ausdruck der gemeinsamen Resolution getragen in großer Mehrheit von Grünen / SPD und CDU.
In Geschäftsberichten und Hochglanzbroschüren von Unternehmen kann man lesen, dass die Mitarbeiter ihre wichtigste Ressource sind. Wir finden: völlig zu Recht. Auch die Palm Gruppe folgt dieser Philosophie. Auf ihrer WEB-Site ist zu lesen: „Modern. Menschlich. Verantwortungsbewusst.“ „Als traditionsbewusstes, mittelständisches Familienunternehmen fühlen wir uns nicht nur in besonderem Maße mitverantwortlich für Erfolg und Zufriedenheit unserer Kunden, sondern auch für die Zufriedenheit und berufliche Entwicklung unserer Mitarbeiter. Ein ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein ist die Basis unseres Erfolges.“ Im Weiteren folgen Aufzählungen. Für uns heute ist der nachfolgende Satz nochmal wichtig: „Darum wollen wir ... unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vorbildliche Sicherheit bieten“. Respekt– mehr geht nicht. Das ist mindestens auszeichnungswürdig und gäbe es dafür eine Kategorie wäre es Nobelpreisverdächtig! Persönlich sind hohe Auszeichnungen Dr. Palm ja nicht unvertraut. Wenn die 96 Beschäftigten des Standortes GE das nur ansatzweise als gelebte Praxis erfahren würden stünde dieser Punkt heute nicht auf der Tagesordnung und was weit wichtiger ist: es bliebe den beschäftigten Frauen und Männer am Standort GE dieser bittere Schicksalsschlag erspart. Bei so viel vorbildlicher Sicherheit und diesem ausgeprägtem Verantwortungsbewusstsein der Palm-Gruppe wird einem fast schwindelig und es trifft die Beschäftigten in GE zusätzlich wie ein „Blitz aus heiterem Himmel“ (Brückentag). Wie passt das zusammen? Ich bin sicher, wir können erahnen, was das bei den Beschäftigten und ihren Familien auslöst. Dabei ist die Palm-Gruppe der zweitgrößte Wellpappe-Konzern in Deutschland, der seine Marktposition zuletzt durch millionenschwere Zukäufe weiter ausgebaut hat. Demzufolge müsste gerade ein solcher Konzern über die nötigen Mittel verfügen, um einen Betriebsstandort mit 96 Mitarbeitern anständig zu behandeln und gemeinsam mit der Mitbestimmung nach Wegen zum Erhalt der Arbeitsplätze zu suchen. Offensichtlich müsste es die Unternehmensleitung nur schlichtweg wollen. Im Übrigen ist bei Werksschließungen der Betriebsrat nicht Bittsteller sondern erster Ansprechpartner der Geschäftsführung. Vor mehr als 100 Jahren war was das noch anders. Motor dieser Veränderung waren die Gewerkschaften. Aktuell und das bereits seit über 50 Jahren gibt es hierzu eine klare Rechtslage. Der Paragraph 111 des Betriebsverfassungsgesetzes beschreibt exakt, was ein Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig Arbeitnehmern zu tun hat. Der Unternehmer hat den Betriebsrat über geplante Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben können, rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und die geplanten Betriebsänderungen mit dem Betriebsrat zu beraten. Stattdessen erleben wir, dass gerade den Kollegen die Mitbestimmung und ihrem Betriebsratsvorsitzenden Bodo Steigleder zusätzlich Steine in den Weg gelegt werden was ihre Arbeit massiv behindert. Ja, mit einer gewissen Regelmäßigkeit berichten Medien über Veränderungen in der Unternehmenslandschaft. Und in den Fällen wo es um die schlechten Unternehmensnachrichten verbunden mit massiven Personalbau geht erleben wir das (zumindest bei großer räumlicher Distanz) wie bei dem Unfall auf der Autobahn. Die Betroffenheit nimmt mit zeitlichen und/oder räumlichen Abstand zum Ereignisort ab. Doch es ist nicht die räumliche Nähe die diesen Fall für uns alle so besonders und skandalös macht. Es ist die Annahme, dass dieser Fall offensichtlich generalstabsmäßig geplant und in Art und Weise von verächtlicher Qualität ist. Dieses ist uns mehr als deutlich geworden in den verschiedenen Gesprächen mit den Beschäftigten rund um die Mahnwache die wir als Vertreter der CDU und CDA führen konnten. Das was die Belegschaft mit dem 31.10. und folgend erleben musste schlägt dem Fass den Boden aus. Sowohl die Insolvenzmitteilung, die Aussperrung per Freistellung auf Widerruf und Einstellung des Betriebes ist alles andere als „Modern. Menschlich. Verantwortungsbewusst. “Das ist nach unserem Verständnis „Vorsintflutig. Unmenschlich. Unverantwortlich.“ Daher ist es nur selbstverständlich das sich der Rat der Stadt Gelsenkirchen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Wellpappe-Werkes solidarisiert. Wir mit dieser Resolution unser völliges Unverständnis für das unglaubliche Vorgehen der Geschäftsführung im Umgang mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an diesem Standort dokumentieren. Dieses verbinden wir mit der Aufforderung, die Missachtung wesentlicher Grundsätze der Betriebsverfassung sowie die fortwährenden Verstöße gegen das Betriebsverfassungsgesetz zu unterlassen. Die Beschäftigten erwarten zu Recht, dass wir sie mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln unterstützen und wir erwarten von den Verantwortlichen im Palm-Konzern die Rücknahme der Entscheidung zur Schließung des Standortes Gelsenkirchen. Die Anfänge von Mitbestimmung reichen weit bis ins 18. Jahrhundert zurück. Und wenn die Unternehmensleitlinien immer verlässlich Umsetzung fänden gäbe es die jüngsten Beispiele wie Vaillant und Wellpappe nicht. Es wäre bitter, wenn so etwas (weiter) Schule macht.