CDU Ratsfraktion Gelsenkirchen

Bildung eines Ausschusses zur Untersuchung des Jugendamtsskandals

Rede vom Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Heinberg

Redemanusskript des Fraktionsvorsitzenden, Wolfgang Heinberg

Lassen Sie mich mit dem Ergebnis beginnen,- einem Ergebnis, das Sie nicht überraschen wird: die CDU-Fraktion stimmt dem Antrag mit der Drucksachen-Nr.  14-20/1507 so, wie von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eingebracht, zu.

Über die Frage, ob es zu dem, was die Öffentlichkeit einen Jugendamtsskandal nennt, einen, wie wir sagen, Untersuchungsausschuss des Rates geben kann, hat es in den Tagen seit der Ausstrahlung des Monitor-Berichts am 30.04.15, zwar vordergründig ein politisches und breites Einvernehmen gegeben.

Aber, meine Damen und Herren, mir und uns ist auch nicht entgangen, dass für die SPD-Ratsfraktion und die SPD in Gelsenkirchen offensichtlich die Frage nach der Größe des Ausschusses wichtiger war als die Frage der Qualität des Ausschusses und diese Qualität, meine Damen und Herren machen wir fest an der Frage: welches durchgreifende Einblicksrecht in die komplexen Zusammenhänge des Vorgangs wird dem Ausschuss und seinen Mitgliedern zugestanden und kann der Ausschuss „Zeugen“ einladen und befragen oder kann er dies nicht!

Wer, wie wir, den Untersuchungsausschuss in der „Grünen-Variante“ will und die dort beschriebene Aufgabenstellungen anerkennt und tatsächlich bearbeiten will muss Farbe bekennen und sagen, welche Kompetenzen dieser Ausschuss haben soll.

Wir entscheiden heute darüber, ob es einen Ausschuss gibt oder nur ein Ausschüsschen,- meine Damen und Herren. Wir wollen einen Ausschuss und wir wollen ihn mit den von uns immer reklamierten Rechten und Möglichkeiten, selbstverständlich im Rahmen der Gemeindeordnung, aber mit größtmöglichen Freiheiten,- das halten wir angesichts der Vorwürfe die im Raum stehen für mehr als angemessen.

Die Aufarbeitung aller Vorgänge und Zusammenhänge rund um „Neustart Kft.“, rund um die Bediensteten Wissmann und Frings, rund um das Kinderheim St. Josef, rund um das, was ich Pecs-Connection nenne, rund um Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten im Zusammenhang mit der Dienst- und Fachaufsicht im konkreten Fall und ganz grundsätzlich muss auf den Prüfstand.

Aber dabei kann und darf es nicht ausschließlich bleiben. Ich sage: auch die Organisationsstrukturen in der Verwaltung und insbesondere rund um das Referat Erziehung und Bildung sind kritisch zu prüfen und auch politisch zu diskutieren,- die CDU-Fraktion, meine Damen und Herren, steht dafür bereit und stellt sich dieser Herausforderung.

Und ich sage auch ganz deutlich, dass es außerdem erforderlich ist, dass bessere Prüfmechanismen in die Arbeitsabläufe und in die Verfahren zur Genehmigung von Nebentätigkeiten eingezogen werden, um solche Vorkommnisse, wie ganz offensichtlich geschehen, zukünftig zu vermeiden und größtmögliche Transparenz herzustellen.

Und, meine Damen und Herren, ich will auch in Richtung Land NRW über Verantwortung reden.

Auch im Landtag von NRW war der so bezeichnete Jugendamtsskandal Thema. Mit reicht es nicht, wenn Frau  Familienministerin Schäfer in der politischen Debatte sämtliche Verantwortung von sich schiebt und nur auf die vermeintliche Zuständigkeit des Bundes-gesetzgebers und die kommunale Selbstverwaltung verweist.

Ich sage: natürlich hat auch die Landesregierung Möglichkeiten und die Verantortung regulierend einzugreifen. Schließlich geht es um das Wohlergehen von Kindern und Jugendlichen in staatlicher Obhut. Paragrafenreiterei ist in dem Zusammenhang völlig unangebracht,- meine Damen und Herren!

Bei der Kontrolle von Einrichtungen im Ausland, in denen Kinder und Jugendliche untergebracht sind oder untergebracht werden dürfen, auch für die notwendigen pädagogischen Konzepte und die Möglichkeit diese zu überprüfen, gibt es offensichtliche, rechtliche Lücken, die dringend geschlossen werden müssen,- da sind Bund und Land gefragt und aufgefordert.

Die Landesjugendämter müssen nach Auffassung der CDU über die Situation der Jugendlichen im Ausland informiert werden. Einrichtungen im Ausland, in denen Kinder aus unserer Stadt, aus NRW oder Deutschland untergebracht sind, müssen zudem verpflichtet werden, den Landesjugendämtern entsprechend zu berichten.

Die Landesregierung muss zudem dafür Sorge tragen, dass die Landesjugendämter den ihnen obliegenden Aufgaben überhaupt noch gerecht werden können. Betroffen sein, fassungslos sein und Verantwortung abschieben geht nicht und werden wir als die zentrale Reaktion auf das, was geschehen ist, nicht durchgehen lassen!

Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, Herr Oberbürgermeister noch einmal auf das Stichwort Verantwortung zurückkommen. Der Personalrat der Stadt Gelsenkirchen hat in seiner Stellungnahme vom 18.05.15 zu den Vorkommnissen rund um den Jugendamtsskandal zu Recht gesagt: ich zitiere „Außerdem ist es erforderlich, dass bessere Prüfmechanismen in den Arbeitsablauf eingezogen werden, um solche Vorkommnisse zukünftig zu vermeiden und um größtmögliche Transparenz herzustellen…“ Zitat Ende. Wir sind dem Personalrat sehr dankbar, dass er so deutlich und klar Position bezieht und Defizite benennt.

Ich möchte Sie, meine Damen und Herren, mit einem weiteren Zitat bekannt machen. Ich zitiere aus einem Protokoll des Rates der Stadt vom 17.02.2005. Zitat: „Was die Nebentätigkeitserlaubnisse anbelange, habe die Verwaltung begonnen, das gesamte Verfahren noch einmal zu überdenken.“ Und weiter heißt es, wenige Protokollzeilen später: „Er habe zu Beginn seiner Ausführungen erwähnt, dass man das gesamte Verfahren noch einmal überprüfen und auch die Nachweispflicht erheblich verschärfen werde.“

Er, meine Damen und Herren, ist bzw. war der damalige Personaldezernet Jochen Hampe.

Damit kein falscher Eindruck entsteht, der Sachverhalt um den es damals ging, betraf konkret nicht die Herren Wissmann und Frings, sondern zwei andere städtische und leitende Bedienstete, die damals im Zuge einer Berichterstattung in den Ruhr-Nachrichten in den Blick gerieten.

Warum thematisiere ich diese Frage heute und hier im Rat? Weil dieses Protokoll der Ratssitzung vom 17.02.05 die politische Debatte und den Kenntnisstand bzw. die Bearbeitungsvorhaben in der Verwaltung zum Thema Nebentätigkeitsgenehmigungen darstellt.

Nicht irgendwann, sondern über den Jahreswechsel 2004/2005 war das Thema „Nebentätigkeits-genehmigungen für städtische Bedienstete“ virulentes Thema für Verwaltung und Politik.

Es gab von der CDU-Fraktion am 17.12.04 und von der SPD-Fraktion am 22.12.04 Anträge auf Akteneinsicht. Ebenfalls am 22.12.04 gibt die SPD-Ratsfraktion eine Pressemitteilung heraus, in der sie darstellt (ich zitiere) „Die SPD-Ratsfraktion hat heute bei OB Frank Baranowski einen Antrag auf Akteneinsicht zum Thema „Nebentätigkeiten von städtischen Beschäftigten“ gestellt. Die SPD-Fraktion möchte die Unterlagen aller städtischen Beschäftigten für die eine Nebentätigkeit genehmigt wurde einsehen.

Heinz-Dieter Klink, stellv. Fraktionsvorsitzender: „Wir wollen uns nicht nur auf einen Einzelfall konzentrieren, sondern diesen sensiblen Bereich insgesamt auf den Prüfstand stellen. Deshalb ist es wichtig komplett zu untersuchen, welche Nebentätigkeiten in der Vergangenheit mit welchen Begründungen städtischen Mitarbeitern genehmigt worden sind.“

Gestatten Sie mir einen Einschub: Erinnern Sie sich noch, wie sensibel Herr Oberbürgermeister auf meine Frage in der zweiten HFBP-Sitzung reagierte, als ich danach fragte, ob zwischenzeitlich ermittelt wäre, welche leitenden Bediensteten der Stadt über eine Nebentätigkeitsgenehmigung verfügten. Herr OB verwarte sich gegen meinen vermeintlichen Generalverdacht,- ich frage mich, was er Herrn Klink damals gesagt hat, als der namens der SPD-Fraktion alle Bediensteten überprüfen wollte. Wenn meine Frage den Vorwurf des Generalverdachts rechtfertigt, dann stelle ich fest: das was Kollege Klink damals gefordert hat hätte von Ihnen Herr OB als General-General-Generalverdacht empört zurückgewiesen gehört!

Aber zurück zur PM der SPD-Fraktion vom 22.12.04. Der O-Ton des stellv. Fraktionsvorsitzenden in der PM geht wie folgt weiter: „Die Regeln für die Genehmigung von Nebentätigkeiten im öffentlichen Dienst sind eigentlich streng. Wir wollen daher genau wissen, wem wann, mit welcher Begründung, welche Nebentätigkeit genehmigt worden ist. Auch Art und Umfang der Tätigkeit neben der eigentlichen Beschäftigung bei der Stadt sind von Bedeutung, um beurteilen zu können, ob es hier zu Interessenkonflikten kommen kann.“ (Zitat Ende)    

In den zeitlichen Kontext der von mir beschriebenen Ereignisse damals fiel auch das Genehmigungsverfahren Wissmann/Frings.

Bisher, meine Damen und Herren, mussten wir hier in den vergangenen 14 Tagen den Eindruck haben, dass das Thema Genehmigung von Nebentätigkeiten damals eher ein Randthema war und möglicherweise deshalb der eher laxe Umgang mit der Nebentätigkeitsgenehmigung durch Dr. Beck maximal als Missgeschick oder als Missbrauch von Vertrauen zu werten war, das durch die Rückgabe der Nebentätigkeitsgenehmigung durch Herrn Wissmann und die entsprechende Ermahnung als erledigt betrachtet werden konnte und keiner weiteren Kontrolle bedurfte.

Diesen Eindruck aufrecht zu erhalten scheint mir jetzt nicht mehr so einfach zu sein und darüber müssen wir umfänglich gerne auch hier aber auch im Ausschuss zur Untersuchung und Bewertung der Vorgänge im Jugendamt reden und recherchieren.  

Und auch darüber, warum die Mitteilungsvorlage                     04-09/607 nicht vom zuständigen Personaldezernenten gezeichnet wurde, sondern vom Oberbürgermeister und wie wichtig der Verwaltungsspitze, auch aus dienst- und fachaufsichtlichen Gründen das Thema Nebentätigkeiten städtischer Bediensteter war oder auch nicht war.

Zum Schluss meiner Ausführungen möchte ich ausdrücklich feststellen, dass die CDU-Fraktion auch in diesem Moment an die Kinder und Jugendlichen denkt, die möglicherweise auch aus rein wirtschaftlichen Interessen in ihren jeweiligen intensivpädagogischen Maßnahmen geschickt und dort nicht gefördert wurden, sondern sich objektiv oder subjektiv so empfunden sich selbst überlassen waren.

Und wir denken an die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadt, die an ganz vielen Stellen mit hohem Engagement ihrer wichtigen Arbeit im Bereich der Kinder-, Jugend- und Familienförderung im Jugendamt oder auch bei GeKita nachgehen.

Die Affäre Wissmann/Frings hat diese gute und engagierte Arbeit mit einem langen Schatten versehen. Ich befürchte, es wird lange dauern, den entstandenen Vertrauensschaden wieder gut zu machen. Deshalb müssen die Vorgänge schonungslos und lückenlos aufgeklärt werden. Es darf nichts unter den Teppich gekehrt werden. Nur so kann das verlorene Vertrauen wieder zurückgewonnen werden.